Ganzheitsmedizin in der onkologischen Palliativmedizin

Ein Interview mit dem ltd. Oberarzt Dr. med. Fadil Brovina

In der BioMed-Klinik in Bad Bergzabern, einem onkologischen Akutkrankenhaus, gibt es eine Palliativeinheit. Im nachfolgenden Gespräch mit dem Leiter dieser Palliativeinheit, Dr. med. Fadil Brovina, erfahren wir, welche komplementären Behandlungsmethoden auf dieser Station möglich sind und wie sie mit der Schulmedizin verknüpft werden können.

Die BioMed-Klinik in Bad Bergzabern wurde im Jahr 1989 von Dr. Dr. Dipl.-Phys. E. Dieter Hager gegründet und ist ein Versorgungskrankenhaus der gesetzlichen Krankenkassen nach §108/§109SGB-V.

Das Wissen über Entstehung und Wachstumskontrolle von Tumoren führte zur Entwicklung komplementärer, d. h. ergänzender biomedizinischer Therapiekonzepte. Nach diesem Konzept gehört zu einer Krebsbehandlung neben der operativen Tumorentfernung, der Chemo- und der Strahlentherapie eine unterstützende und aufbauende Therapie zur Regeneration und Steigerung der körpereigenen Abwehrkräfte, zur Normalisierung des Zellstoffwechsels sowie zur Verringerung eventueller Therapieschäden. Darüber hinaus können die tumorzerstörenden Effekte durch immunologische und physikalische (z. B. Hyperthermie) Methoden verstärkt werden. Die Behandlung in der BioMed-Klinik zielt nicht allein auf die Zerstörung von Tumoren, sondern ist ganzheitlich ausgerichtet. Hierzu gehören die Aufklärung über eine gesunde Lebensweise und die Information über Krebsrisiken und Umweltfaktoren ebenso wie die Umstellung der Ernährung und die Ergänzung lebensnotwendiger (Vital-)Stoffe zur Optimierung des Körpermilieus.

Da die psychische Verfassung großen Einfluss auf die Lebensqualität und auf die Selbstheilungskräfte hat, liegt der BioMed- Klinik eine fundierte psychologische Betreuung ihrer Patienten besonders am Herzen. Das psychoonkologische Team hat langjährige Erfahrung im Umgang mit den spezifischen Bedürfnissen und Problemen von Krebspatienten. Auch das speziell geschulte Pflegepersonal trägt viel dazu bei, das seelische Allgemeinbefinden der Patienten zu verbessern und so ihre Kräfte für den Kampf gegen die Krankheit zu mobilisieren.

In der BioMed-Klinik ist der Patient kein „Fall“. Es wird großen Wert auf eine transparente und partnerschaftliche Behandlung gelegt. Die Patienten geben ihre Verantwortung nicht bei der Aufnahme an der Pforte ab, sondern bestimmen in Zusammenarbeit mit den Ärzten, Psychologen und Physiotherapeuten, wie die gesundheitliche Situation verbessert werden kann.

Seit April 2016 bietet die BioMed-Klinik ihren Patienten auch eine Palliativeinheit an, in der ebenfalls schul- und komplementärmedizinische Methoden angewandt werden.

Herr Dr. Brovina, Sie sind Facharzt für Innere Medizin und Palliativmediziner. Was ist unter dem Begriff Palliativmedizin zu verstehen?

Dr. Fadil Brovina:

Palliativmedizin ist die angemessene medizinische Versorgung von Patienten mit fortgeschrittenen, progredienten Erkrankungen, bei denen die Behandlung auf die Lebensqualität zentriert ist und die eine begrenzte Lebenserwartung haben. Palliativmedizin schließt die Berücksichtigung der Familie vor und nach dem Tod des Patienten ein.

Viele Patienten denken bei Palliativmedizin an die letzte Station vor dem Hospiz. Ist das so richtig?

Dr. Fadil Brovina:

Diese Information ist leider sehr verbreitet, aber sie ist falsch. In Wirklichkeit ist die erste Aufgabe der Palliativmedizin die Linderung der Symptome mit dem Ziel, dass der Patient wieder mit einer verbesserten Lebensqualität nach Hause zurückkehren kann. Dabei geht es darum, nicht dem Leben mehr Tage hinzuzufügen, sondern den Tagen mehr Leben zu geben, so hat es Cicely Saunders einmal ausgedrückt. Durch symptomlindernde Therapien, ganzheitliche Begleitung sowohl körperlicher als auch psychosozialer Art, soll ein erfülltes und selbstbestimmtes beschwerdearmes Leben bis zuletzt ermöglicht werden.

Sie leiten eine Station in der BioMed-Klinik, einem onkologischen Akutkrankenhaus, das auch komplementärmedizinisch arbeitet. Welche komplementären Behandlungsmethoden wenden Sie in der Palliativmedizin an?

Dr. Fadil Brovina:

Es ist bekannt, dass sich etwa 80 % aller Krebspatienten auch eine komplementärmedizinische Behandlung ihrer Erkrankung wünschen. Deswegen koordinieren wir diese Behandlungsformen in unserer Klinik mit den schulmedizinischen Therapien. Dabei bieten die Antioxidantien und Differenzierungstherapie vor allem mit Selen und Provitamin D oder die Immunstimulation mit Mistelpräparaten sowie der Einsatz von bestimmten Hefepilzen verschiedene Möglichkeiten, komplementärmedizinisch mit den Patienten zu arbeiten. In der jüngsten Vergangenheit wird die Christrose (Helleborus niger) in der Onkologie häufig diskutiert und von uns auch eingesetzt.

Welche Ausstattung können Patienten von einer modernen Palliativstation erwarten?

Dr. Fadil Brovina:

Es geht dabei vor allem darum, trotz eines Krankenhauses eine angenehme und im Idealfall wohnliche Atmosphäre zu schaffen. Balkone in allen Zimmern gehören bei uns genauso dazu wie TV und Internet. Wichtig ist vielen Patienten, dass die sanitären Anlagen behindertengerecht sind, da die körperliche Beeinträchtigung oft sehr hoch ist. Für die Übernachtung von Angehörigen sollte auch ein zweites Bett im Zimmer zur Verfügung stehen. Dazu sollten sie auf der Station Aufenthaltsräume finden, die die Möglichkeit für Gespräche mit Angehörigen und anderen Patienten bieten. Außerdem gibt es bei uns noch einen Raum der Stille, der eine Rückzugsmöglichkeit und einen Raum zur Besinnung schafft.

Welche Rolle spielt die Psychologie in der Palliativmedizin?

Dr. Fadil Brovina:

Die Psychotherapie spielt eine sehr große Rolle. Es ist ganz wichtig, Psychologen in das Behandlungskonzept der Palliativpatienten einzubinden. Es geht hier um die Behandlung von emotionalen, kognitiven Erlebens- und Verhaltensstörungen mithilfe von psychologischen Therapien, die wissenschaftlich überprüft worden sind und sich als wirksam erwiesen haben. Dabei sind es die psychischen Auswirkungen der körperlichen Erkrankungen, aber nicht nur beim Patienten, sondern auch bei seinen Angehörigen. Zu dem behandelnden Team sollten allerdings neben Ärzten, Psychologen und Pflegekräften auch Physiotherapeuten, Seelsorger und Sozialberater gehören.

Welche Voraussetzungen muss ein Patient erfüllen, damit er in einer Palliativstation aufgenommen werden kann?

Dr. Fadil Brovina:

Es muss eine fortgeschrittene progrediente Erkrankung mit begrenzter Lebenserwartung vorliegen, die ambulant nicht mehr beherrschbar ist. Insbesondere bei Schmerzzuständen und schwerwiegenden körperlichen Beschwerden wie Atemnot, Erbrechen oder Schwäche ist die Aufnahme in einer Palliativstation dringend anzuraten. Dazu kommen meist psychische, soziale oder spirituelle Beschwerden wie Angstzustände, Depression und Unruhe. Der Patient und seine Angehörigen müssen dann über die Betreuung in einer Palliativstation aufgeklärt werden und damit einverstanden sein.

Wie lange können Patienten bei Ihnen bleiben?

Dr. Fadil Brovina:

Das ist sehr unterschiedlich und reicht von ein paar Tagen bis zu mehreren Wochen, abhängig vom Krankheits- und Behandlungsverlauf. Dabei sollte die Dauer aber begrenzt sein und eine Entlassung nach Hause oder in eine andere Einrichtung nach Besserung oder Stabilisierung der Beschwerden angestrebt werden.

Wer übernimmt die Kosten einer palliativen Behandlung?

Dr. Fadil Brovina:

Die Kosten der Palliativversorgung werden von den gesetzlichen Krankenkassen und privaten Krankenversicherern übernommen.

Rückblick auf den 13. SONNENWEG-KONGRESS

Rückblickend schaue ich sehr dankbar und tief berührt auf unseren 13. SONNENWEG-KONGRESS, am 11. September 2021, der im vergangenen Jahr aufgrund der Corona-Pandemie ausfallen musste.

Die Krebsbetroffenen in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stellen, die Menschen als Ganzes wahrnehmen, war und ist Grund und Anlass den SONNENWEG-KONGRESS erneut und im Besonderen in Krisenzeiten auszurichten, der das Interesse für „Ganzheitliche Therapien bei Krebs“ berücksichtigt.

Aus dem vielfältigen, fachlich differenzierten Angebot der konventionellen Krebstherapie konnten wir einen Bogen spannen zu Maßnahmen der individuellen, ganzheitlichen, komplementären und integrativen Medizin und Behandlung in der Onkologie.

Auf dem Weg zu einer persönlichen Entscheidungsfindung konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich umfangreich über „Ganzheitliche Therapien bei Krebs“ informieren und die eigene Patientenkompetenz stärken.

Im Rückblick auf den sehr erfolgreichen 13. SONNENWEG-KONGRESS gibt es leider auch einen Corona geschuldeten Wermutstropfen.

Bedauerlich, dass unser Referent Herr Dr. Fadil Brovina aufgrund der ihm verordneten Corona-Quarantäne nicht teilnehmen durfte und somit das so wichtige Thema „Palliativmedizin eine sinnvolle Ergänzung in der Onkologie“ nicht besetzt war. Vor diesem Hintergrund haben wir ein Interview mit Herrn Dr. Brovina zu dem Thema „Palliativmedizin“ in unserem Blog für Sie zur Nachlese eingestellt.

In diesem Sinne schaue ich heute dankbar und demütig zurück auf ein intensives, informationsreiches und von Hoffnung geprägtes Kongresserlebnis.

Sonnig herzlichst, Helga Maschke

Titelbild: V.l.n.r.: Dr. Michael Radecki, Prof. Dr. Alexander Herzog, Dr. Matthias Kraft, Maria Görtz, Helga Maschke