Ohne Anspruch auf Vollständigkeit folgt eine Auflistung gängiger alternativmedizinischer Verfahren, die als unseriöser, unwirksamer, mitunter auch hochgefährlicher Behandlungsersatz demaskiert wurden, sich aber dennoch einer gewissen Verbreitung erfreuen.
Amygdalin – Das nicht-existente Vitamin B17
Vitamin B17, ein Extrakt aus Aprikosenkernen, soll Krebs heilen können? Hier steckt ein Betrug bereits im Namen: Ein echtes Vitamin B17 gibt es nicht, Amygdalin ist kein Vitamin, sondern ein sekundärer Pflanzeninhaltsstoff, der in Aprikosenkernen, Bittermandeln und in geringerer Menge auch in Apfelkernen vorkommt. Manche Patienten kauen bis zu 60 Aprikosenkerne täglich oder lassen sich Vitamin B17-Infusionslö- sungen verabreichen. Die Substanz hat eine jahrzehntelange Geschichte, sie wurde ursprünglich Laetrile genannt und in den USA angeboten. Vor der Entwicklung moderner Krebstherapien galt sie als Wunderwaffe gegen Krebs. Tatsächlich enthält die Substanz eine inaktive Blausäureform, die durch enzymatischen Einfluss in Blausäure zerfällt. Gesunden Zellen schadet dies nicht, Krebszellen schon. So die Theorie. Eine verlässliche Wirksamkeit konnte jedoch in Studien niemals bewiesen werden. Allerdings haben Forscher der Uniklinik Frankfurt 2014 einen möglichen Wirkmechanismus entdeckt: In Laborexperimenten konnte gezeigt werden, dass bestimmte Eiweiße, die im Zellwachstum regulierend eingebunden sind, durch Amygdalin verändert werden und dadurch das Wachstum isolierter Tumorzellen hemmen können.2 Auf der anderen Seite sind schädliche Wirkungen durch die in Aprikosenkernen enthaltene Blausäure belegt. In den USA wurde die Substanz bereits vor vielen Jahren verboten, lebt aber im Untergrund weiter. Mitunter berechnen unseriöse Alternativmediziner bis zu 5.000 Euro pro Monat für die Aprikosenkernextrakte.
Hulda-Clark-Therapie – Den Krebs wegzappen
Anhänger dieser „Therapieform“ sehen stets Parasiten als Ursache für schwere Erkrankungen. Krebs etwa werde meist durch den Darmegel Fasciolopsis buski ausgelöst. Durch Verzicht auf ätherische Öle wie in Kosmetika und vor allem durch mehrmaliges tägliches Zappen mit einem Gerät, bestehend aus zwei Metallgriffen, die mit einem kleinen schwarzen Kasten mit Batterien verbunden sind, werde der Krebs angeblich geheilt. Die Hulda-Clark-Theorie ist absurd und die -Therapie absolut wirkungslos, aber immerhin nicht direkt schädlich. Es kann aber sehr wohl ein Schaden entstehen, wenn sie anstelle einer nutzbringenden Therapie eingesetzt wird und es so zu Therapieverzögerung kommt. Dies gilt naturgemäß für alle alternativen Therapieverfahren in der Krebsbehandlung.
Die Gerson-Methode – Durch Kaffeeeinläufe Krebs heilen
Der deutsche Arzt Max Gerson beschrieb in seinem Buch, verfasst in einer Ära vor Entwicklung der modernen Krebstherapie, fünfzig Fälle von Heilung mit einer vorwiegend veganen, niedrig kalorischen Diät und reichlich Gemüsesäften, frisch gepressten Kalbslebersäften und Kaffeeeinläufen alle zwei Stunden, Tag und Nacht. Das Original erschien 1958, vor drei Jahren wurde die Neuauflage gedruckt.3 Bei Durchsicht des Buches fällt auf, dass in der Originalausgabe kaum klassifizierbare Krebsarten unter den geheilten Patienten zu finden sind. Meist waren es unspezifische Wucherungen, die als Krebs beschrieben wurden. Auch häufigere Krebsarten wie Lungenkrebs, Darmkrebs oder Brustkrebs kommen praktisch nicht vor. (Damals gab es noch keine zuverlässige Pathologie, die Krebs genau klassifizieren konnte.) Patienten nehmen infolge dieser Behandlung oft zehn bis fünfzehn Kilogramm ab. Die Lebensqualität ist aufgrund der therapiebedingten Einschränkungen häufig reduziert. Die Therapie ist nicht wirksam. Bei Krankheitsprogress trifft die Krankheit auf einen geschwächten Körper.
Die Schwarze Salbe – Den Krebs herausätzen
Die sogenannte „Schwarze Salbe“ enthält ätzende Substanzen, die die obersten Hautschichten auflösen und regelmäßig auch zu Geschwüren führen. Es wird fälschlich behauptet, die Salbe habe auch eine diagnostische Wirkung. Nur wenn ein Knoten, den man taste, wirklich Krebs sei, komme es zu einem Geschwür, mittels der Salbe werde der Tumor „herausgezogen“ und der Mensch sei geheilt. Eine Biopsie sei damit gar nicht erforderlich. Die Therapie ist unwirksam und gefährlich. Patienten, die dieses Verfahren versuchen, leiden oft unter Schmerzen, Blutungen und Infektionen im entstehenden Wundgebiet. In einem extremen Fall (bei einem Hauttumor am Kopf) hatte sich die Salbe durch die Haut und durch die Knochen bis ins Gehirn durchgeätzt. Der Patient kam mit einem großen Loch in der Schädeldecke, der Hauttumor war am Rand des Lochs bis in das Gehirn gewachsen; der vermutlich weltweit erste Fall, wo ein Hauttumor direkt ins Gehirn einwachsen konnte.
Miracle Mineral Supplement – Chlorbleiche
Miracle Mineral Supplement ist ein fantasievoller Name für Chlorbleiche, das in der Industrie etwa als Desinfektionsmittel Einsatz findet. Die Anhänger der Therapie postulieren, die innerliche Einnahme könne eine Vielzahl schwerer Erkrankungen heilen, unter anderem auch Krebs. Belege für diese Behauptung gibt es bislang keine. Das BfArM warnt vor Verätzungen des Magen-Darm-Trakts bei innerlicher Anwendung. Auch die Intestinalflora kann bei Einnahme Schaden nehmen, da die Substanz unspezifisch alle Mikroben abtötet, auch die nutzbringenden.
Antineoplastone – Teure Geheimmittel gegen Krebs
Ein Arzt aus den USA bewirbt seit vielen Jahren eine Therapie mit Antineoplastonen, einem selbst entwickelten Anti-Krebsmittel bestehend aus diversen Peptidgruppen und Derivaten, die gespritzt werden müssen. Die Zusammensetzung wird nicht verraten; angeblich da die Pharmaindustrie das Mittel ansonsten patentieren und verschwinden lassen würde. Das Mittel wird mit verschiedenen (sehr teuren) Immuntherapien kombiniert eingesetzt. Die Behandlungskosten bei einem solchen Programm liegen bei bis zu 50.000 Euro pro Monat. Allein die Neoplastone kosten in etwa 25.000 Euro im Monat. Kauft man allerdings drei Anwendungen, bekommt man eine vierte gratis. Der Nutzen der Antineoplastone ist nicht belegt, die Therapie gilt als Nonsens.4 Nebenwirkungen aufgrund der unkontrollierten Gemische sind häufig.
Radikaldiäten – Den Krebs aushungern
Die meisten Anbieter extremer Diäten berufen sich auf die sogenannte Warburg-Hypothese, eine 1931 mit dem Nobelpreis belohnte Untersuchung, die zeigte, dass Krebszellen Glukose ohne Sauerstoffzufuhr verwerten. Die Schlussfolgerung hieraus ist, dass man durch radikalen Verzicht auf Zucker und Kohlenhydrate den Krebs aushungern könne. Im Extremfall geschieht dies etwa in Form der Breuss-Kur, einem 42-tägigen strengen Saftfasten. Aber auch Diät Varianten wie die Gerson-Diät oder die ketogene Ernährung behaupten Heilungserfolge mit diesem Ansatz. Radikale Diäten scheinen generell nicht wirksam zu sein; keinesfalls sollten sie als alleinige Alternativtherapie genutzt werden. Zum einen gibt es Untersuchungen, die zeigen, dass Krebszellen sich auch anderer Stoffwechselmechanismen bedienen können, um ihren Energiebedarf zu decken. Zum anderen lassen sich zuckerarme Zustände wie im Reagenzglas im wirklichen Leben nicht herstellen. Fällt der Blutzuckerspiegel zu tief, so kann das Gehirn nicht mehr arbeiten und der Patient fällt ins Koma. Das PET/CT, bei dem radioaktiv markierte Glukoselösung gespritzt wird, zeigt deutlich, dass sich auch im nüchternen Zustand Tumore (neben Gehirn und Herzmuskel) zuerst aus dem normalen Blutzuckerspiegel bedienen. Für Patienten bedeuten solche Diäten oft eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität und einen Verlust an Energie. Auf die Krebsbehandlung angepasste (moderate) Diäten können allerdings als komplementäre Maßnahme Wirkung entfalten und eine Therapie sinnvoll unterstützen.
Neue Germanische Medizin – Alles nur Symptom
Aufgrund von Visionen, die den deutschen Arzt Ryke Hamer in Träumen überkamen, verfocht dieser die These, jeder Krebs heile sich durch Aufhebung psychischer Konfliktsituationen von selbst. Gelinge es nicht, die inneren Konflikte zu lösen, so könne der Krebs auch nicht geheilt werden. Noch zu Lebzeiten verlor Hamer seine Approbation aufgrund spektakulärer Fehltherapien mit zahlreichen Todesfällen, zudem unterlag er in mehreren Gerichtsprozessen und saß wegen Betrugs und der illegalen Ausübung einer medizinischen Tätigkeit mehrere Jahre im Gefängnis. Die „Neue Germanische Medizin“ ist als theoretisches Konzept unsinnig und als medizinische Therapie nachweislich unwirksam. Dennoch gibt es noch immer Therapeuten, die Hamers krude Lehre weiter verbreiten.
Gottesurteile – Krebs heilen mit der Kraft der Gedanken
Das Feld der Wunderheiler ist breit. Viele wirken im Verborgenen, die Reklame erfolgt über Mundpropaganda. Es gibt aber auch einige besondere Exemplare, die mit viel Getöse die Öffentlichkeit suchen. So etwa ein Energieheiler aus den USA, der seinen eigenenForum Komplementäre Onkologie / Immunologie 7 OnkOlOgie Angaben zufolge den Weltrekord im Krebsheilen hält. Nur durch Handauflegen werde die Tumor-DNA zerstört. Die Vorauszahlung für diese Therapie beträgt rund 5.000 Euro. In Brasilien gibt es etwa den selbsternannten Wunderheiler João de Deus. Er könne, gegen Gebühr, die Heilung durch Gott vermitteln und auch, gegen eine höhere Gebühr, eine Art „Operation“ durchführen; dabei kann der Erkrankte auch einen Stellvertreter schicken, der an seiner statt operiert wird. Viele Patienten pilgern seinetwegen nach Brasilien, andere suchen Veranstaltungen mit ihm in Europa auf. João de Deus ist dank seines Talents zur Selbstvermarktung einer der weltweit bekanntesten Scharlatane.
Vitamine – Mit Vitamincocktails gegen den Krebs
Zu einer gewissen Bekanntheit hat es der deutsche Arzt Dr. Matthias Rath gebracht, der die konventionelle Krebstherapie ablehnt und stattdessen die sogenannte Zellularmedizin als Krebsbehandlung propagiert. Dabei kommen vor allem hochdosierte Vitaminprä- parate zur Anwendung. Das propagierte Heilverfahren hat sich in wissenschaftlichen Studien als wirkungslos erwiesen. Rath ist entschiedener Gegner der modernen Pharmaindustrie, der er Völkermord aus Profitgier vorwirft. Nach eigenen Angaben arbeitet das Dr. Rath Forschungsinstitut in Kalifornien derzeit an der Entwicklung eines Impfstoffs gegen Krebs.5
Sammelsurien ungeprüfter Therapien
Das Buch Chemotherapie heilt Krebs und die Erde ist eine Scheibe: Enzyklopädie der unkonventionellen Krebstherapie ist als Ratgeber für Krebspatienten konzipiert und steht stellvertretend für zahlreiche Werke dieser Art. Mit provokanten Formulierungen konterkariert der Autor das Streben der modernen Medizin nach überprüfbaren Therapieergebnissen. Zugleich lobt er eine Reihe alternativer, vielfach nicht wirksamer Therapien in den höchsten Tönen. Eine kritische Bewertung der vorgestellten Verfahren gibt es dabei nicht. Praktisch: Das Therapiezentrum des Autors bietet einen Teil der Verfahren direkt an. Die Lektüre des Buches ist für Patienten nicht von Nutzen, für Ärzte jedoch durchaus, um eine Übersicht zu erhalten, mit welchen Behauptungen und Versprechungen Patienten in die Irre geführt werden.